Der für exaltierte Rollen am Wiener Burgtheater unentbehrliche Joachim Meyerhoff (Wer wohl ab Herbst an seiner statt einspringen [!] wird, wenn er ans deutsche Schauspielhaus zurückkehrt?) schöpfte die passenden Worte, dass er eine Quecksilber-Mentalität pflege. Vor dem kindlichen Auge splittert mein Fiebermesser und Kügelchen flüchten unters Bett. Zudem führt mich die Metapher zu unserem Wein von der „Côte Blonde“.
Die großartige mineralische Spannung scheint über den Gaumen zu perlen. Gneis, Glimmerschiefer, Sand und Kalk finden den Weg in das Geschmacksprofil. Der sortenreine Syrah spiegelt den Boden, auf dem er gedieh, einmalig und authentisch (uralte Rebstöcke wurzeln tief in Verwitterungsrissen), dabei wirkt er gar nicht starr, sondern leichtfüßig.
Die samtigen Tannine und die elegante Frucht, die wie so oft bei großen Syrahs von der Rhône in eine Cassis-Richtung zeigt, lassen meine Fieberkurve ansteigen. Meyerhoff gab dem Tartuffe bei den Wiener Festwochen die für ihn typische Offenkundigkeit des darzustellenden Charakters. Dabei hauchte er der Prosa-Übersetzung der Bondy-Inszenierung, die sich völlig von Molières Versmaß (Alexandrinern) entfernte, durchaus Leben ein („Ich bin das größte Schwein auf dem Planeten!“). Auch unser Wein, für den die Waldschnepfe namensgebend war, lässt keinen Zweifel, welche Huldigung ihm gebührt. Besonders inspirierten mich bei den Festwochen die Dramaturgie (Jan Dvorak) und die Kostüme (Ursula Kudrna) des „II Trovatore“ als letzten Teil des Verdi-Zyklus zum 200. Geburtstag Giuseppes.
Die Zigeuner waren eine gaukelnde Augenweide und Maria Prudenskaja als Azucena war die puppenhafte Inkarnation bizarren Wahnsinns. Zum üblichen Wiener „Sänger-Bashing“ meine ich nur: Leidenschaft geht immer vor Perfektion. Das war für mich große Oper mit einem Hauch Pop-Art. Salute Verdi! Santé La Mordorée!