Warum finden Sprachmanieristen große Momente in der Schlichtheit? Etwa wenn Robert Musil schreibt: „Das Leben ist so groß, warum sollte es auch noch gut sein.“ Oder wenn Elfriede Jelinek und Thomas Piltz die Eingabe haben, Thomas Pynchons „Gravity‘s Rainbow“ mit „Die Enden der Parabel“ zu übersetzen und dann im Text beginnen: „Es kommt ein Heulen über den Himmel.
Das ist früher schon geschehen, dieses aber ist mit nichts vergleichbar …“ Auch unser Wein überragt in seiner schlichten Größe alle barocken Cuvées seines überbordenden Jahrganges. Die pralle Frucht (Schwarzkirsche, Brombeere), zart unterlegt von Zimt und pfeffriger Würze, eröffnet ungeahnte Tiefen. Man wähnte sich in heißeren Gefilden, wäre da nicht die Aromatik abseits von Trockenfrüchten und allzu dichten Extrakten. Dieser geradlinige Blaufränkisch schöpft seine Fülle aus der klaren Fruchtexpression, seine kühle Opulenz wird uns noch Jahrzehnte erfreuen.
Österreichs Autochthone werden von der großen Weinwelt selten in den Olymp gehoben und trösten sich in guter Gesellschaft, denn auch Feuchtwanger, Kafka, Musil oder Roth erhielten keinen Nobelpreis. Wie unser Wein bedarf deren Sprache keiner Auszeichnung. Nehmen wir uns Zeit, Joseph Roth zu lauschen und nippen dabei vom goldenen Berg: „Menuchim, Mendels Sohn wird gesund werden. Seinesgleichen wird es nicht viele geben in Israel.
Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark. Seine Augen werden weit sein und tief, seine Ohren hell und voll Widerhall …“ Ab und zu findet das Glück auch in Kakanien eine Tüchtige. Masel tov, Frau Jelinek! In ihrem Text finde ich passende Worte für unseren opaken Nektar, wenn sie auch dem Wasser zugewidmet sind: „Eine reiche Last trägt dieser dunkle Wein im Glas, als ob ihm ein ganzer Klumpen Nacht ins Herz gefallen wäre.“