Wenn ich den unvergleichlich betörenden und zart morbiden Duft verblühender Lilien rieche (z. B. in fast jeder tschechischen Kirche), denke ich nicht an das Banner der Bourbonen, sondern an unseren großen Wein. Bevor mir der Strauß gewahr wird, sickert aus meinem Unterbewusstsein bereits … oh Montrose!
Seine Floralität, gepaart mit Cassis und schmeichelnder klarer Extraktsüße, verführt mich stets zur Hingabe. Der Reiz liegt wohl auch darin, dass der Genuss selten stattfindet. Für jemanden, der begehrt, gibt es nichts Schlimmeres als die
unmittelbare Erfüllung (Paul Verhaeghe). Begehren bestehe im Kultivieren eines Mangels (hier also der allzu raren Kostproben). Im Gegensatz zum Trieb wolle das Begehren nicht befriedigt werden, wenn es dadurch ausgelöscht würde. Im Übergang des Begehrens zu seiner Verwirklichung gehe zudem etwas verloren (hier vielleicht die Illusion, dass dieser Nektar den Olympischen vorbehalten sei).
Wir sehen, dass es unabdingbar ist, Maß zu halten, um das Begehren aufrechtzuerhalten. Die Wirkung liegt dann darin, das Besondere nachhaltig schätzen zu können. Wir erreichen sonst rasch die Grenzen der Ausbeutung des „Selbst“, aber auch der „Anderen“. In der Enzyklika „Laudato si“ folgt Papst Franziskus der wissenschaftlichen Erkenntnis (die Zeiten des Gemurmels „Eppur si muove“ sind vorbei), dass die Erderwärmung menschgemacht sei. Er appelliert an die Verantwortlichen, „den Schrei der Natur und der Armen zu hören“ und fordert von uns allen zu Recht einen adäquaten Lebensstil. Selbst das Bienensterben führte bisher zu keinem gemeinsamen Kraftakt. Die Gier scheint stärker zu sein, oder ist es der Tunnelblick
(interessant dazu die Lektüre von Harald Welzer oder Jared Diamond)!? Wir sollten zumindest Albert Einstein glauben, dessen Blick in andere Dimensionen reichte: „Wenn die Bienen sterben, hat der Mensch noch 4 Jahre zu leben.“