Dieser große klassische Rioja wirkt wie ein Dinosaurier in der schönen neuen Weinwelt. Die Sinne werden altmodisch mit Pflaumen-Würze, Rosinen-Geschmack, Vanille (White Oak!), Röstaromen, Madeira-Flair, Orangenzesten und sogar Baldrian geflutet! Diese Vielfalt und Opulenz, gestützt durch beachtliche Säure, verführen nicht nur Miezekatzen, sondern auch Liebhaber charakterstarker, samtiger Weine.
Die goldenen Flaschen zum 100-jährigen Jubiläum des Gutes beinhalten neben der Hauptsorte Tempranillo noch Mazuelo (10 %). Nach jahrzehntelanger Fass- und Flaschenreifung gelangten sie 1986 (!) in den Verkauf. Einzigartig bei dieser Genesis sind die alten, weinsteinverkleideten Fässer in vielstöckigen Gewölben. Ein halbes Menschenleben wurde unserem Wein gegeben, bis die Komplexität groß und die Tannine weich genug waren.
Aldous Huxley bezeichnete das 20. Jahrhundert als Zeitalter des Lärms; dann ist das 21. Jahrhundert wohl das Zeitalter der Geschwindigkeit. Der Gruppenzwang nach Mobilität und sekundenaktueller globaler Kommunikation mit WhatsApp, SMS, EMails, Facebook etc. ist für viele bereits sinnstiftend oder gar sinnersetzend. Diese Lebensweise raubt Ruhe, Kontemplation und Transzendenz. Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als es keine Handys gab, Sie nicht ständig erreichbar waren und noch Briefe schrieben? Lassen wir uns nicht täuschen: Der Glaube an eine größere und bessere Zukunft ist ein mächtiger Feind gegenwärtiger Freiheit (Huxley). Rekapitulieren wir: 1480 wurde der maschinelle Buchdruck erfunden, 400 Jahre später das Telefon, vor ca. 50 Jahren der Heim-PC, vor 25 Jahren wurden Mobilfunknetze und das Internet realisiert. Der Algorithmus dieses Tempos ist offensichtlich. Wohin wird das führen? In den Strudel kollektiver, wahnhafter Omnipräsenz? Erheben wir unser Glas also auf die Entschleunigung und machen wir uns auf die Suche nach der verlorenen Zeit.