Château Margaux

Kraft und Eleganz zeichnen einen großen Margaux aus.

Château Margaux

Der Anspruch der Weinmacher liegt näher bei der Eleganz. Die Lektüre der châteaueigenen Jahrgangsbeschreibungen zeigt, dass die Erzeuger den Wein dann für trinkreif halten, wenn die Kraft (vorwiegend geschöpft aus der Tanninstruktur) beginnt, deutlich in den Hintergrund zu treten. Ich halte auch „Druck“ und „Struktur“ für wesentlich und empfehle daher etwa, den Jahrgang 1990 bereits zu trinken: Die Balance von Yin und Yang, zwischen vibrierender Kraft und ausreichender Differenziertheit, erscheint mir ungemein reizvoll.

Holz.pur

Eine Stärke des Weingutes ist die Kontinuität. Der Önologe Paul Pontallier zeichnet für den Wein seit einem Vierteljahrhundert verantwortlich. Pontallier setzt ganz auf Holz statt auf Stahltanks (wie Latour). Die Gärung erfolgt in bis zu 50-jährigen Eichenholztanks aus 6 cm dicken Planken; die Temperaturkontrolle erfolgt von innen. Nach vollständigem Abschluss der alkoholischen und malolaktischen Gärung (3-4 Wochen) kommt der Wein in die stets neuen Fässer. 1.200 Stück aus Troncaiseiche (mediumtoasted) braucht das Château jährlich, wovon der hauseigene Fassbinder ein Drittel fertigt. Die Fassreifung dauert meist etwas länger als bei anderen Premier Crus (18-24 Monate). Das beeindruckende kirchenschiffgroße Fasslager aus dem 19. Jahrhundert kommt ganz ohne Klimatisierung aus. Ein Blick auf die Jahrgänge vor 1960 zeigt, dass Kellertechnik alleine nicht das Maß aller Dinge ist. In Ausnahmejahren gelang es auch in diesen „Urzeiten“ des Weinbaues elegante Produkte für die Ewigkeit zu erzeugen, indem man sich einfach mit einem Eisblock behalf, wenn die Gärung in den Bottichen zu rasch vonstatten ging.

Terroir.pur

Entscheidend für die Qualität sind das Terroir und das Mikroklima: Die im Schnitt 35 Jahre alten Weinstöcke wurzeln tief im typischen kalkhaltigen „Schwemmkies“ aus der Günzeiszeit, der sich an den Ufern der Gironde abgelagert hat. Die geringe Neigung sorgt für hervorragenden Wasserabzug. Die Konzentration entsteht beim Wein immer aus Kargheit, nicht aus Überfluss. Das Untermaterial besteht aus Kalkstein und Mergel. Das Klima wird durch die vorgelagerten Inseln der Gironde mitgeprägt, die die Nordwinde abhalten. Nichtsdestotrotz sind die Verhältnisse wechselhafter als etwa in Paullicac. Dies kann in manchen Jahren eine besondere Chance sein; die etwa 1986 oder 1983 (Jahrgangsprimus mit dem nahe gelegenen Château Palmer) genutzt wurde. Wesentlich ist der optimale Erntezeitpunkt, der großen Schwankungen unterliegt (Erntebeginn 1893 war der 17. August, 1980 war es der 17. Oktober). Seit Mitte der 90er-Jahre ist im Bordelais, auf Basis önologischer Forschungen, nicht mehr die Zucker-Säurereife, sondern die Tanninreife wesentlich für den Erntezeitpunkt. Die Ernte wird dadurch tendenziell hinausgeschoben. Eine der Grundlagen dieser Erkenntnis ist der Umstand, dass reife Tannine wasserlöslich und spaltbar sind, unreife Tannine jedoch nicht.

Château Margaux 1Geschichte.pur

Die Geschichte des Weinbaues begann im 17. Jahrhundert. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich das Weingut einen Namen gemacht und belieferte die englische Elite. Thomas Jefferson, damals Botschafter in Paris, lobte den Jahrgang 1784: „Ich könnte mir keine bessere Flasche Bordeaux vorstellen.“ In den Wirren der französischen Revolution endete für die Region die erste wirtschaftliche Blüte. Unter der Ägide Napoleon III. wurde auf der Pariser Weltausstellung 1855 eine vielbeachtete Blindprobe von 60 ausgewählten Weingü- tern in fünf Kategorien durchgeführt: Margaux erhielt als einziger „Premier Cru“ die Traumpunktezahl 20/20. Bereits einige Jahrzehnte vorher errichtete der Stararchitekt Louis Combes das klassizistische Prachtschloss im Auftrag des Besitzers Bertrand Douat (Marquis de la Colonilla). Das schönste aller Weingüter erhielt den Beinamen „Versailles des Medocs“. Die wechselnden Besitzer führten das Gut durch die Wirren der Zeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Familie Ginestet das Gut kaufen und modernisieren, musste das Château allerdings in den 70erJahren wieder veräußern. Der französische Staatspräsident verglich die beabsichtigte Ver- äußerung des Châteaus an amerikanische Interessenten mit einem Verkauf des Eiffelturms. 1977 konnte und durfte Andre Mentzelopoulos, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit griechischen Wurzeln, nach rascher Einbürgerung in die „Grande Nation“, das Château kaufen. Bereits der erste echte „Mentzelopoulos-Jahrgang“ 1978 gelang hervorragend und leitete den Aufstieg des Weingutes ein. Leider starb der Käufer 1980. Seine Tochter Corinne Mentzelopoulos ist die Alleinbesitzerin.

Margaux.pur

Die Verkostung großer Bordeaux-Weine ist immer eine „Momentaufnahme“. Die Weine sind in Entwicklung, sie verschließen und öffnen sich. Hinzu kommt bei älteren Jahrgängen das Flaschenglück: Dieses war mir hold, lediglich bei den Jahrgängen 1961 und 1983 verkosteten wir keine ganz optimalen Flaschen. Dafür war der Jahrgang 1934 aus der Magnum geradezu esoterisch. Schwierig zu verkosten ist derzeit die Gruppe der „Schläfer“; das sind die zweifellos grandiosen Jahrgänge 2003, 2000 und 1996. Die Weine sollten unbedingt gelagert werden, wobei sich der 2000er durch große Harmonie und der 1996er durch komplexe Eleganz auszeichnet.

Château Margaux

0 C Margaux2004 Château Margaux Schwelgt noch in der ersten Fruchtphase: WeichselHimbeere. Die präsente Primärfrucht dominiert das Holz. Saftig-kernige Tannine. Lagern!

2003 Château Margaux Vermählung reifer Tannine mit warmen Holztönen und Vanille. Die erste Fruchtphase geht zu Ende. Konzentrierte sehr dichte Textur; die „leckere, edle“ Extraktsüße hält die Harmonie zur Säure. Wird in Glas zitroniger, frischer. Derzeit mehr Kraft als Eleganz (ein untypischer Margaux?). Lagern!

2002 Château Margaux Holztöne, vegetabile Noten und unreife Johannisbeere. „Grüne“ Tannine. Lagern!

2001 Château Margaux Süße Beete unterlegt mit Tabakwürze und „Pfeffer“ (Petit Verdot!). Harmonische Textur: markante Säure und kräftige Tannine, trotzdem cremig. Lagern!

2000 Château Margaux Elegante Nase, wenn auch derzeit „verhalten“. Verschließt sich gerade und bedarf einer kopflastigen Verkostung: Konzentriert, trotzdem verspielt. Vollreife Tannine. Süffig, Holz-Vanille, später Blutorange. Florale Anklänge, z. B. Orangenblü- ten. Der „Schläfer“ harrt seiner Differenzierung. Lagern!

1999 Château Margaux Elegante Cabernetnase mit Holzwürze, Thymian, wirkt leicht „parfümiert“. Leichtgewichtig. Sehr weiche runde Tannine. Wird von zahlreichen Verkostern geschätzt, mir ist er etwas „zu weich“. Trinkreif!

1998 Château Margaux Ganz anders als 1999: Beinahe adstringierende Tannine, pfeffrig. Vegetabile Note und Hollerbeere, spä- ter „rote Ribisel“. Merlotwürze. Lagern!

1997 Château Margaux Wie auch andere Jahrgangsvertreter limonadige, verspielt-ansprechende Aromen. Wirkt „unrund“. Pelzige Tannine, säurelastig. Lagern!

1996 Château Margaux Johannisbeerduft in edler reifer Prägung, dazu Röstaromen, seidige Tannine; komplex bei mineralischer Tiefe. Toll balancierte Säure und Extraktsüße. Mit der Oxidation limonadige Noten. Puristischer Trinkgenuss, wenn auch derzeit noch „verhalten“. Lagern!

1995 Château Margaux Anfangs verschlossen, braucht Oxidation. Mit der Zeit kommen Weichseltöne, Vanille, Orangenaromen und Würze. Konzentriert. Mundfüllende kernige Tannine gepaart mit Extraktsüße, Eleganz erwarte ich mit der Reifung. Lagern!

1994 Château Margaux Verhaltene Nase nach „Jona- Äpfeln“, Mon Cherie-Weichseln mit Alkoholsüße. Weiche leichte Eleganz, wenn auch nicht allzu komplex. Trinkreif!

1993 Château Margaux Leichtgewichtig. Grasig-vegetabile Töne. Frische am Gaumen. Trinkreif!

1992 Château Margaux Apfel- und Kirschnoten unterlegt mit Limette und weißem Pfeffer. Salzig-jodige Mineralität. Weich, elegant, spannend, leichtgewichtig. Trinkreif!

1991 Château Margaux (Magnum) Wegen Frostschäden praktisch kein Merlotanteil. Anregende Vanilleschoten mit Kirschtönen. Beachtliche Würze nach Liebstöckel. Bissige Säure, limonadige Textur. Trinkreif!

0 C Margaux 11990 Château Margaux (10 % Petit Verdot) Der perfekte Margaux: Kraft und Eleganz! Explosiver Duft, wie parfümiert: Herzkirsche, Pflaume, Amber, „Kochbananen“. Brillante Fülle. Seidige eingebundene Tannine, fleischige Extraktsüße. Anklänge nach Minze. Vibrierende Kraft. Mir unverständlich, dass Rene Gabriel diesen Wein nicht mag. Trinkreif! (Aber auch Lagerpotenzial!)

1989 Château Margaux Reife Cabernetnase nach Herbstlaub. Harzig. Wirkt „überkocht“, weich und sprö- de. Der Pavillon Blanc aus dem selben Jahr ist wesentlich besser gelungen. Trinkreif!

1988 Château Margaux Leicht chemisch: vegetabile Noten: Mit Glasoxidation dann leichtfüßiger, frischer und runder. Trinkreif!

1987 Château Margaux (Magnum) Grasige, puristische Cabernetnase. Vegetabiler Druck am Gaumen. Frisch, wenn auch nicht komplex. Trinkreif!

1986 Château Margaux Eindrucksvoll, wie ein Flash: Mandeln, Vanilleschoten. Dichte mundfüllende Tannine, aber reif und süß! Weichseln und Marzipan verzaubern den Mund wie ein „Dessert“, dahinter ein bissiger, metallisch-mineralischer Ton. Ein kraftstrotzender Margaux für Jahrzehnte: Wenn sich die Wucht der Tannine mit der Reifung abrundet, ein JahrhundertMargaux. Lagern!

1985 Château Margaux Interessante Aromen nach Zimt, Pflaumen, Apfelkompott und Nelken. Präzise Tanninstruktur und Mineralität. Harmonisch und mittelgewichtig. Trinkreif!

1984 Château Margaux Ein frischer, trinkbarer Wein aus einem desaströsen Jahrgang. Reintönige Fruchtnase: Kirschkerne. Leichtgewichtig. Trinkreif!

1983 Château Margaux Explosiver Duft: Blaubeeren, Minze, Moschus, verbunden mit lackigen Medizinaltö- nen. Produkt eines tropischen Sommers. (Die verkostete Flasche ist leider nicht optimal.) Trinkreif!

1982 Château Margaux Unverschämt jung und frisch. Mineralische Feuersteintöne. Tabakwürze, bissig, salzig, kernig, vibrierend, dabei sehr „präzise“. Komplexität steht (noch) vor Eleganz. Verliert bei längerer Glasoxidation. Lagern! (Aber bereits ein Trinkgenuss!)

1981 Château Margaux (Doppelmagnum) Anregender Geruch nach „Zuckerwatte“. Sehr rund und mild, dabei süffig, ohne großen Druck. Trinkreif!

1980 Château Margaux Sekundäraromen dominieren: Leder. Am Gaumen allerdings kaum Alterungstö- ne, sondern präsente Säure und Cabernetcharakter. Trinkreif!

1979 Château Margaux Toller Duft nach Biskuit und Eierkuchen. Harmonisch eleganter Trinkgenuss ohne Altersschwäche, bei mittlerem Körper. Trinkreif!

1978 Château Margaux Der erste „echte“ Jahrgang der Ära Mentzelopoulos. Wieder Zuckerwatte (ähnlich 1981), dazu frisches „Linnen“. Klar und bissig mit Säuredruck. Mittlerer Körper. Verliert rasch im Glas: Welkes Herbstlaub. Trinkreif!

1977 Château Margaux Unspezifisch grasig, leichtgewichtig. Bitter-abgründige Noten. Trinkreif!

1975 Château Margaux Verblühende Rosenblätter, welkes feuchtes Laub. Trinkreif!

1973 Château Margaux Grasige aber klare Nase. Leichtgewichtige, gemüsige Textur. Trinkreif! 1970 Château Margaux Sekundäraromen nach feuchtem Laub mit Pilzen. Interessant in seiner balsamischen Abgründigkeit. Trinkreif!

1961 Château Margaux Explosiver Geruch nach Cassis, Tabak. Süße Würze unterlegt mit Kompotttönen und „Humus“. Knackige Sü- ße, bei intakter Struktur und Frische. Leicht, elegant und lang. Trinkreif!

1959 Château Margaux Der letzte Wein der alten Ära ohne Kellertechnik mit Temperaturregulierung. Explosiver „parfümierter“ Duft nach feuchtem Holz und Karamell. Kraftvoll, mit runden seidigen Tanninen. Trinkreif!

1953 Château Margaux Ein großartig gereifter, hocheleganter Margaux. Expressive Aromen nach Jod und Baumwolle, später mit der Oxidation Rosentöne. Perfekte Harmonie: Extraktsüße bei bissiger Mineralität, intakte Säurestruktur mit vielschichtigen Gewürznoten. Trinkreif!

0 C Margaux 21934 Château Margaux (Magnum) Ein esoterisches Erlebnis (30% Merlot, 30% CS, Rest CF und Malbec wegen der Reblaus). Duft nach Unterholz, Leder und Pilzen. Am Gaumen frisch (Ascorbinsäure); metallische, unverschämte (!) Süße in Vollendung: Wie Blut. Einzig die Säure ist „aufgebraucht“. Die Mineralität substituiert die Struktur. Im Wissen um das Alter drücken wir gern ein Auge zu. Trinkreif! Pavillon Blanc (100% Sauvignon Blanc) 1986 Pavillon Blanc Expressiv gereifter SBl mit Noten nach gelbem Paprika und exotischem Flair: Sämig, begleitet von „Holzwärme“. Weit jugendlicher als ein zuletzt verkosteter Tement Zieregg 1991. Trinkreif!

1989 Pavillon Blanc Ein grandioser, jugendlicher, harmonischer Wein: lecker, limonadig-hopfig, zitronigbissig, kraftstrotzend mineralisch, unterlegt mit gut integriertem Holz und Vanille. Lagern!

1995 Pavillon Blanc Versteckte Primärfrucht nach „Rhabarber“. In Entwicklung: holzig, kraftvoll, ölig, geprägt von Holzwürze (Integration im Gange) und chemischen Tönen wie „Petrol“. Lagern!