Château Margaux 1990 1er Gr. Cru Classé

… ist weich und verwoben wie Samt, voll Eleganz und verhaltener, hintergründiger Kraft. Ich kann nicht genug von diesem Wein bekommen; er ist wohl eine große Liebe. Natürlich ist sie (!) parfümiert und ändert sich alle paar Minuten für mich: Herzkirsche, Pflaume, Amber, Kochbananen, später auch florale Anklänge und ein Minzhauch. Betörend ist die unbeschreiblich klare Süße ohne Larmoyanz.

Trotz der relativen Jugend ist unser Wein nicht nur trinkbar, sondern nahe dem (noch lange währenden) Zenit. Dies liegt an der Struktur: Die analytisch geringe Säure fehlt nicht und wird zum Vorteil. Auch der hohe Petit-Verdot-Anteil (10%) war die richtige Entscheidung. Dieser klassische Bordeaux ist nicht modern, sondern zeitlos. Die Modernität ist ja das Vorübergehende, das Entschwindende, das Zufällige und damit die Hälfte der Kunst, die andere Hälfte ist das Ewige und Unabänderliche (so der Versuch einer kulturästhetischen Definition durch Charles Baudelaire von
1863).

Zuletzt kredenzte Paul Pontallier bei einem Diner der Domäne Müller seinen 1990er zum Springbock. Wer denkt da nicht an Ernest Hemingway, dessen deklarierter Lieblingswein Château Margaux war. Mit ihm fand er wohl manche seiner Wahrheiten (True at first light …?). Er überlebte zwei Flugzeugabstürze, verschmähte die Gunst der Götter und wählte den Freitod. Am Vorabend des 35. Jahrestages folgte ihm seine Enkeltochter Margaux Hemingway, schön und extravagant wie unser Wein (Sie erinnern sich an die dichten, mithrashaften Augenbrauen?). Als Ernest und die leibhaftige Margaux diese Welt verließen (1961 und 1996), wuchsen unfassbar große Weine auf dem gleichnamigen Château.

Kunst, sei sie nun vergänglich oder zeitlos, und Sonnensüße weben samtenen Wein, sie weben und weben … und auf dem purpurnen Flor unseres Meisterwerkes von 1990 tänzeln Ernests Fieberträume und Margaux‘ ozeanklares Lächeln.