Das exklusive Weingut Lafleur ist wohl der Prototyp des „Cru de Garage“: So nennen die prächtigen Châteaus am „Rive Gauche“ etwas herablassend ihre kleinen Nachbarn vom anderen Ufer. Pomerol (insgesamt 12 km²) erhielt nicht umsonst den Spitznamen „Bordeaux’ kleiner Garten“. Es ist nichts Glamouröses an Lafleur, aber die Weine sind so rar, dass sie innerhalb dieses Gartens die seltenste und im Auge mancher kundiger Betrachter auch die schönste Blume ist.
Mit 4,5 ha und einer Jahresproduktion von maximal 12.000 Flaschen ist es größenmäßig mit L‘Eglise Clinet zu vergleichen, worüber hier vor kurzem (wein.pur 4/2012) zu lesen war. Seit 1987, als gar kein Erstwein gefüllt wurde, gibt es zur Qualitätssteuerung einen Zweitwein (Les Pensées de Lafleur), wovon jährlich etwa 3.000 Flaschen erzeugt werden.
Pomerol (insgesamt 12 km²) erhielt nicht umsonst den Spitznamen „Bordeaux’ kleiner Garten“. Es ist nichts Glamouröses an Lafleur, aber die Weine sind so rar, dass sie innerhalb dieses Gartens die seltenste und im Auge mancher kundiger Betrachter auch die schönste Blume ist. Mit 4,5ha und einer Jahresproduktion von maximal 12.000 Flaschen ist es größenmäßig mit L‘Eglise Clinet zu vergleichen, worüber hier vor kurzem (wein.pur 4/2012) zu lesen war. Seit 1987, als gar kein Erstwein gefüllt wurde, gibt es zur Qualitätssteuerung einen Zweitwein (Les Pensées de Lafleur), wovon jährlich etwa 3.000 Flaschen erzeugt werden.
Bauernwein mit Charisma
Die Geschichte von Lafleur beginnt 1872, als Henri Greloud, der Besitzer des Pomerol-Gutes Le Gay, das Gebiet am nördlichen Rand der Appellation ankaufte. André Robin folgte 1915 und heiratete die Enkeltochter des ersten Eigentümers. Seine Töchter Therese und Marie Robin übernahmen 1946 und widmeten ihre ganze Liebe (den Gerüchten nach ausschließ- lich) den Rebstöcken.
Schweine und Hühner tummelten sich neben und im kleinen Gutshäuschen zwischen den Fässern und Lafleur wurde ironisch auch als „Bauernwein“ bezeichnet. Für einen ihrer größten Fans, Robert Parker, hatten die Schwestern, passend zu seiner Gestalt, den Spitznamen „Le Toaureau“ (Der Stier) parat. Berücksichtigt man die unter ihrer Egide entstandenen legendären Weine und die Schaffensperiode von knapp vierzig Jahren, handelt es sich wohl um die nachhaltigsten Winzerinnen der Weingeschichte.
Die Ära Guinaudeau
Die Jahrgänge 1982 und 1983 wurden von Christian Moueix, dem Besitzer des quasi benachbarten Châteaus Petrus, und seinem Önologen Claude Berrouet vinifiziert. Der Vergleich dieser Weine zeigt deutlich, welchen ungeheuren Einfluss das Klima auf die Qualität hat.
Während Ersterer heute noch trotzig jugendlich ist, zeigt sich 1983 bereits als gerade noch vitaler Greis. Als Therese Robin starb, konnten Jacques (Ururenkel des Gründers Henri Greloud) und Sylvie Guinaudeau das Gut 1985 übernehmen (zuerst pachten und im Jahr 2002 schließlich kaufen). Seither herrscht Kontinuität. Der sympathische Sohn Baptiste, der auch bei unserer Vertikalverkostung anwesend war, zeigt sich bereits äußerst fachkundig und motiviert.
Herrliche Weine, ein Familienbesitz seit 140 Jahren, was würde man sich mehr wünschen, wäre da nicht die geringe Menge und der durch die enorme Nachfrage bestimmte Preis. So sind die letzten Jahrgänge 2009 und 2010 kaum unter 1.000 Euro für die Normalflasche zu erlangen. Dennoch bleiben die Guinaudeaus bescheiden. Diese Bescheidenheit zeigt sich auch darin, dass auf den Etiketten, die ein halbes Jahrhundert den holographen Namenszug „Robin” in verschiedenen Varianten trugen, nun nicht das Faksimile der eigenen Unterschrift, sondern jenes des Gründers Henri Greloud verwendet wird.
Cabernet franc und Terroir
Die Besonderheit des Weingutes liegt darin, dass nicht wie in Pomerol üblich, hauptsächlich Merlot, sondern 50% Cabernet franc ausgestockt sind. Dies gibt den Weinen Aromatik und mit der Reife auch Exotik. Das Durchschnittsalter der Weinreben liegt deutlich über 30 Jahren, da der berühmte Frost von 1956 gut überstanden wurde und somit noch ausreichend wirklich ganz alte Reben in Ertrag stehen. Der Ertrag ist auf ca. 38hl/ha beschränkt. Nach der alkoholischen Gärung und einer Maischestandzeit von bis zu drei Wochen werden die Weine in die Eichenfässer gepumpt, wo sie dann bis zu 20 Monate reifen.
Der Einsatz des neuen Holzes war früher eher mäßig, wobei die Tendenz steigend ist (wohl 2/3). Entscheidend für die Qualität sind wie fast überall auf der Welt das Terroir im Allgemeinen und die Bodengeologie im Besonderen. Das kleine Kiesbett ist wiederum grob in 4 Mikroparzellen einzuteilen, auf denen Merlot und Cabernet franc bunt gemischt ausgepflanzt sind.
Die Weingarten-Arbeit nimmt Bedacht darauf, ob nun 1. grobsteiniger brauner Kiesel, 2. sanddurchmischter, feinkörnigerer Kiesel auf einem Lehmkiesbett, 3. ein etwas anderes Sand-Kiesel-Gemisch auf einem Sandlehmbett oder 4. ein Gemisch aus Kiesel, Lehm und Schlicksand auf braunem Sand zu bewirtschaften sind. Qualitätsbestimmend sind auch die mineralischen Einlagerungen im Boden, die von Eisen über Kalium bis zu Phosphor reichen. Die Bö- den werden behutsam bearbeitet und nicht „umgewälzt“, sodass immer dieselbe Schicht oben verbleibt.
Legendäre Weine
Zu Recht gilt Lafleur als der große Konkurrent von Petrus. Das Terrain ist überhaupt nicht vergleichbar, da Petrus auf einem tiefgründigen Lehmboden steht. Befindet sich im Petrus meist bis zu 100% Merlot, wird Lafleur seit jeher ungefähr zur Hälfte aus Merlot und Cabernet franc gekeltert. Was die beiden Pomerol-Güter verbindet, ist die Qualität. So ist es eine der Lieblingstätigkeiten von betuchten Sammlern, Jahrgangsvergleichsverkostungen der Güter zu veranstalten, die meist kein eindeutiges Ergebnis zeigen.
Für mich hat Lafleur in den Jahren 2000 und 1982, wenn auch auf sehr hohem Niveau, die Nase vorne; 1998 und 1961 ist es wohl umgekehrt, wobei die Flaschenqualität innerhalb eines Jahrganges bei Petrus größeren Schwankungen unterliegen kann als bei Lafleur.
Rare Verkostung
Da die Weine so selten sind, wurde in illustrer und internationaler Runde verkostet. Neal Martin, designierter Nachfolger von Robert Parker, fand den weiten Weg in das Forstamt der Familie Wolf am Attersee und kommentierte pointiert, sympathisch und präzise.
Leidenschaftlicher zeigte sich Peter Moser, der sichtlich begeistert die „Eisenfaust im Samthandschuh“ zitierte und damit den mineralischen Kern der Weine innerhalb des feinen Fruchtkleides meinte. Auffallend war bei den gereiften Weinen großer Jahre die würzig-hitzige Süße (Copyright Mario Scheuermann). Neben einem ganzen Dutzend fulminanter Weltklasseweine (siehe Kostnotizen) gab es aber auch spürbare Schwankungen nach unten, allen voran 2002, aber auch bei Jahrgängen, die gemeinhin nicht als schlecht zu qualifizieren sind, wie etwa 1996 und 1985.
Finesse.pur
Neben den druckvollen Traumjahrgängen 2009, 2000, 1990, 1982 und 1966 und in der Fülle der Proben (als „Amuse-Gueule“ gab es einige Jahrgänge des einfach gestrickten „Châ- teau Grand Village“, App. Bordeaux Supérieur, des Wohnsitzes der Familie Guinaudeau in Mouillac seit dem 17. Jh.) ging die filigrane 1950er-Flasche zu Unrecht etwas unter. Da sie auf 22 Gläser verteilt wurde, sind drei Schluck naturgemäß etwas wenig, um einen Wein zu erfassen. Für mich war die zarte, unüberbietbare Eleganz dieses Jahrganges der absolute Höhepunkt der Probe.
Der extravagante 1982er folgte für mich knapp danach, fand aber wegen seiner kleinen Ecken und Abgründe auch nicht den Weg ins Herz aller Verkoster. Wir genossen einen jener Abende, denen man nachtrauert, da sie nicht mehr wiederbringlich erscheinen.
Derartige Schätze hat auch die Erzeugerfamilie nicht mehr, wie Baptiste Guinaudeau zu berichten weiß. Ob seine Eltern bei der Namensgebung an die olfaktorischen Fähigkeiten von Süskinds Romanfigur Jean-Baptiste Grenouille dachten?
Lafleur.pur
Die Verkostung fand am Attersee statt, ausgerichtet von Familie Wolf (Weinart) als Generalimporteur von Lafleur, die in ihren Kellern noch über einige Raritäten verfügt. Teilnehmer waren unter anderem Baptiste Guinaudeau, Neal Martin, Peter Moser und von wein.pur Wolfgang Kiechl, Gerhard Mayer und Julia Sevenich. Da nicht blindverkostet wurde, war eine offizielle Gläser-Wertung nicht möglich.
2009 Dichte, primärbestimmte, feine Kirsch-Nase. Im Kern mineralisch, konzentriert. Mundfüllende, reife Tannine. Stoffige Exotik: Kokos! Mehr als 10 Jahre lagern!
2007 Erstaunlich charmant. Derzeit noch sahnige Primäraromen nach Weichseln! Balanciert und mittelgewichtig.
2005 Derzeit (typisch) verhalten. Mürbe, samtig. Mineralig nach Tinte. Spä- ter außerordentlich elegant: Orangenblüten, Himbeere. Beachtlich. Braucht noch mehr als 10 Jahre Flaschenreife.
2003 Stoffig, dabei aber fast seidig. Heidelbeeren, darüber florale Noten! Metallische Mineralität. Jung, aber antrinkbar.
2002 Verhalten und spröde: Kirschschalen. Ins Bittere triftend: Aspirin! Mangelnde Tannin-Reife.
2001 Beachtliche Leistung im schwierigen Jahrgang: volle, aber etwas strenge Struktur, noch verschlossen. Benötigt noch 5 Jahre für mehr Harmonie; schokoladige Anklänge deuten sich an.
2000 Ein gewaltiger Wein: Graphit und Tinte! Tabak-Würze, Johannisbeeren. Pure Eleganz, dabei samtig und opulent. Später extravagante Aromatik. Aristokratisch und komplex. Für mich einer der besten 2000er!
1999 Bereits angenehm reif und trinkbar. Weichsel-Aromatik. Mittelgewichtiger, ernsthafter Spaß; dabei eine gewisse Opulenz.
1998 Sahnig würzig. Große Dichte und Autorität. Röstaromen: Lakritze, Vanille. Antrinkbar, besser aber lagern.
1997 Einer der besseren Weine des schwierigen Jahres: würzig, animierend,mit einer Palette von CitrusAromen. Potenzial ausgereizt: Trinken! 1996 Schwieriger Jahrgang für Lafleur. Engmaschig, pfeffrig, abseits der Aromatik nicht allzu balanciert.
1995 Merlot-Würze. „Kirschwasser“. Dabei etwas bittertönig, bereits allzu weit gereift. Trinken!
1990 In Entwicklung, steht noch vor dem Zenit. Frisch, opulent, rotbeerig. Braucht Luft und wird dann immer eleganter und nachhaltiger. Vielschichtige Goudron-Aromen!
1989 Spaltete die Meinung der Verkoster. Für mich hervorragend: metallisches Flair, Würze (Liebstöckel), Kirsche, dabei aber etwas abgründig. Cabernet franc dominiert die Aromatik.
1988 (Magnum) Wunderbar am Höhepunkt: Kirschlikör, Marzipan, Weichsel, Rote Johannisbeere. Cremige Tertiär-Aromen. Mittelgewichtig.
1986 Etwas zugänglicher als andere 1986er, dabei aber dicht verwoben. Wieder metallische Mineralität. Bereits trinkbar bei hinlänglicher Eleganz.
1985 Anfänglich „staubig“, gewinnt dann im Glas. Spürbare Mineralität. Dörrobst. Etwas verhalten und mittelgewichtig. Jetzt austrinken!
1983 Bereits am Zenit! Pfeffrige Würze, dabei aber auch labende Süße. „Lackig – karamellig“. Marille! Salzig unterlegt. Noch ein Genuss! Austrinken!
1982 Ein Jahrhundert-Wein: hedonistisches Flair. Zuerst Kirschlikör und Rote Ribisel, enorm druckvoll, dabei aber elegant. Später Exotik und geheimnisvolle florale Wolken. Sahnig zum Niederknien. Erst zum Schluss PomerolSüße nach Himbeeren! Großartig, hat aber noch Jahrzehnte vor sich.
1978 Leichtgewichtig, aber genug Extrakt. Hier beginnt das tertiäre Reich: Hustensaft, Menthol, Minze, Kautabak.
1977 Schwarze Oliven, später grasig. Salzig, aber allzu leichtgewichtig.
1976 Extrem trockener Jahrgang. Kü- chenkräuter, Johannisbeere. Labend – abgründig, jodig. Dabei aber ein süßer Kern, der den Wein stützt.
1971 Gutes Jahr in Pomerol. Elegant, leicht. Weichsel-Anklänge. Tertiäre Tabak-Würze steigt auf. Mandarinen, Karamell.
1966 (Magnum) Der beste 1966er, den ich je trank: Frisch, jung, mineralisch. „Maulbeere“. Tiefe Süße, delikate Säure. Elegant, balanciert, ausreichend komplex.
1964 (Magnum) Würze (Liebstöckel). Weißer Pfeffer, Rumtopf, harzige Anklänge. Sehr gefällig und lebendig, einer der Besten seines Jahrganges.
1961 Ertrag: 10 hl/ha! Opulente Nase, die am Anfang überreif wirkt. Extremer Kirschen-Duft. Saftig, extraktsüß. Geröstete Pinienkerne. Likörig und opulent. Später florale Noten. Spaltet die Verkoster: Einige orten Fehler.
1959 Händlerfüllung Thiessen
Bereits superweiche Tannine, etwas abgeschliffen. Samtig, Exotik, Kokosmilch, Karamell. Noch freudespendend.
1955 Stollwerk! Staubig, später CitrusAromen. Leichtgewichtig, aber spannend und gerade noch genussbringend. Keine optimale Flasche, da berichten andere Kommentatoren weit Größeres.
1950 Perfektes Jahr in Pomerol! Meine höchsten Erwartungen werden übertroffen: edel, hedonistisch, elegant. Verhaltene Noten nach Zedernholz, Baumharz und wei- ßem Pfeffer. Komplex, dabei aber filigran. Hohe labende Süße und weiche präsente Tannine. Transzendente Frische in der Nase, umso überraschender ist der gewaltige Druck am Gaumen.
1949 Reifer Kirschen-Ton, Vanille, abgründige Balsamik. Bei aller Herbe doch saftig und lebendig. Spannend!
1948 Fast „stichig“ in der Nase (Hühnerstall). Mineralisch und Zedernholz. Abgründig!
1947 Händlerfüllung Vandermeulen Keine ganz optimale Flasche des gro- ßen Weines. Opulente, likörige Tiefe. Weich und labend. Marzipan-Süße. Gewinnt im Glas, Portwein-Flair.
1943 Händlerfüllung Nicolas Spürbare Extraktsüße, mild. Noch mundfüllend. Nicht allzu komplex. Die Tannine sind bereits abgeschliffen.
1929 Ist der Stoff echt? Süß und weich, dabei präsent und erstaunlich frisch. Tannine samtig. Leicht hopfige Würze.
Die Besten sowie nach Meinung des Verkosters – Weltklasse oder knapp darunter:
1947: Marzipansüße und Portwein-Flair!
1950: Ein filigraner Götterstoff !
1966: Komplexe, frische Mineralität!
1982: Ein Jahrhundert-Wein weit vor seinem Höhepunkt!
1989: Ein abgründiger Verführer!
1990: Vielschichtige Opulenz!
2000: Ein extravaganter Aristokrat!
2003: Schmeichelnde Aromenvielfalt!
2005: Eleganz.pur!
2009: Dichte und Exotik!